“Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” – Nostalgischer Kindheitstrip!


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Da “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” von Michael Ende mein absolutes Lieblingsbuch als Kind war und ich die Version der Augsburger Puppenkiste unzählbare Male gesehen habe, konnte ich nicht wirklich objektiv an die erste Kinoversion herangehen. Doch wurde meine Erwartungshaltung erfüllt? Wurde die Verfilmung den Helden meiner Kindheit und ihren Abenteuern gerecht? Hat sich das lange Warten auf eine Kinofassung ausgezahlt? Kurz gesagt: Die Verfilmung ist optisch fantastisch gelungen, sie trifft absolut den Nerv der Vorlage und kommt trotz spannender Momente sehr kindgerecht daher. Man kann dem Film nicht vorwerfen, dass er wichtige Aspekte vernachlässigt oder sich durch ausschweifende Änderungen weit von der Vorlage entfernt, doch da liegt die kleine Schwäche des ansonsten wirklich unterhaltsamen Familienfilms. Da er alle Aspekte trotz langer Laufzeit nur anreißen kann und systematisch abhakt, wirkt er leider manchmal etwas oberflächlich und lässt eine spezielle eigene Note vermissen. Sehenswert ist der Film trotzdem, und Lust auf eine Verfilmung der Fortsetzung “Jim Knopf und die Wilde 13” macht er auch.

Inhalt

Auf der kleinen Insel Lummerland erleben die Einwohner Lukas, der Lokomotivführer (Henning Baum), Frau Waas (Annette Frier) und Herr Ärmel (Christoph Maria Herbst) sowie König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte (Uwe Ochsenknecht) eine Überraschung, als per seltsam adressiertem Paket ein schwarzes Baby per Post zugestellt wird. Sie taufen es Jim Knopf (Solomon Gordon) und der Junge wächst mit auf der Insel auf. Doch als der König wegen Platzmangel über die Abschaffung Emmas, der Lokomotive von Lukas, nachdenkt, beschließt der Lokomotivführer zusammen mit Emma die Insel zu verlassen. Jim überzeugt Lukas, dass er ihn mitnimmt und so beginnt für die beiden ein spannendes Abenteuer, das im fernen Land Mandala beginnt, in dem die Tochter des Kaisers (Kao Chenmin), Prinzessin Li Si (Leighanne Esperanzate), entführt worden ist.

Review

Dass sich Regisseur Dennis Gansel ganz klar nicht nur bei der Romanvorlage sondern der vielleicht noch bekannteren Vorlage der Augsburger Puppenkiste bedient hat, merkt man nicht nur an der Verwendung des “Eine Insel mit zwei Bergen”-Themas. Viele Einstellungen und Dialoge erinnern ganz klar an die Puppenkiste, was der Verfilmung aber erst mal nicht schadet und natürlich maßgeblich zum Nostalgiefaktor und dem Zurückversetzen in die Kindheit beiträgt. Doch die Optik hat erwartungsgemäß einen enormen Neuanstrich bekommen, hier wird in jeder Einstellung gezeigt, dass sich deutsche Produktionen hinsichtlich bombastischer Effekte und großartiger Settings kein Stück mehr hinter Hollywood verstecken müssen. Was im Buch noch der Fantasie überlassen wurde und in der Puppenkiste aufgrund der Möglichkeiten recht schlicht daher kommt, wird hier zu einem absoluten Augenschmaus. Das beginnt schon beim wunderschön bunten Lummerland, aber auch die oppulente Stadt Ping, die trostlosen Wüste, die finstere Vulkanwelt und natürlich erst recht die Drachenstadt werden grandios ins Leben gerufen. Was in der Puppenkiste noch niedlich originell wirkte, hat hier wirlich Format. Die Optik ist ganz klar die größte Stärke des Films.

Bevor wir uns dem Inhalt widmen, sollten wir kurz zu den Darstellern kommen. Lukas hat zwar eigentlich keinen Bart und müsste etwas rundlicher sein, aber Henning Baum ist trotzdem eine tolle Besetzung für den kräftigen, gutmütigen Lokomotivführer. Auch Solomon Gordon spielt Jim Knopf perfekt mit einer gesunden Mischung aus Abenteuerlust, Hang zum Schabernack und kindlicher Naivität. Dass bei den restlichen Einwohnern Lummerlands auf typisch deutsche Schauspieler wie Annette Frier, Christoph Maria Herbst und Uwe Ochsenknecht zurückgegriffen wurde, finde ich etwas schade, sie passen aber in die Nebenrollen. Dass der Halbdrache Nepomuk ausgerechnet unverkennbar die Stimme von Michael Bully Herbig bekommen musste, hat mich schon etwas mehr gestört, aber auch das war vertretbar. Der restliche Cast erfüllt seinen Zweck, ohne wirkliche Schwächen, aber auch nicht unbedingt mit denkwürdigen Leistungen.

Womit wir bei dem Inhalt angekommen wären, der sich zwar unzweifelhaft ganz klar an die Vorlage hält und einem so eine “auf die heutige Kindheit angepasste” Version wie bei den Realverfilmungen von “Hui Buh” oder “Bibi Blockberg” erspart, aber doch irgendwie seinen eigenen Stil vermissen lässt. Die wichtigen Momente sind alle vorhanden, die Charaktere tun, was sie sollen, kein Ort wird ausgelassen, eigentlich müsste mein in die 80er zurückversetztes Herz glücklich sein, aber irgendetwas fehlt. Und da sind wir mit dem Begriff “Herz” schon ziemlich nah an der Lösung. “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” hat zwar ein paar emotionale Momente, aber die Handlung wirkt trotzdem manchmal etwas seelenlos, zu sehr schien man der Vorlage(n) gerecht werden und die Fans nicht verschrecken zu wollen, dass man auch wirklich kein Wagnis eingegangen ist. So ist der Film für Kinder ganz klar ein tolles Erlebnis, als Erwachsener hätte man aber doch noch ein paar Überraschungen und vielleicht auch mehr Charaktertiefe erwartet.

Doch wenn man die Vorlage von Michael Ende mal genau anschaut, dann wird es schwer fallen, die auf den zweiten Blick doch sehr holperige Logik und natürlich auch die nach heutigen Maßstäben etwas klischeebehaftete Darstellung der anderen Völker außerhalb Lummerlands so zeitgemäß neu zu definieren, ohne sich doch irgendwie zu weit von der Vorlage zu entfernen. So wird es auch gar nicht erst versucht. In Mandala (in alten Versionen ganz eindeutig noch China genannt) gibt es große und klitzekleine Menschen, die nur ekelhafte Sachen essen, Lokomotiven können bei fachgerechter Behandlung schwimmen, zum Drachen werden, ohne Schienen alle Untergründe passieren und nicht zuletzt auch Nachwuchs bekommen. Doch hier muss man ganz klar sehen, dass Michael Ende trotz eindeutiger Bezüge zu unserer Welt einen Fantasyroman mit seiner eigenen Logik geschrieben hat, egal, wie absurd sie einem manchmal erscheinen mag.

Witzig ist, dass ein paar doch nicht ganz passende Momente eine andere nostalgische Synapse im Gehirn angesprochen haben, denn als Lukas in bester Bud-Spencer-Manier die Palastwache von Mandala verkloppt, saß ich tatsächlich murmelnd im Kino: “Dampfhammer, los, Dampfhammer… JAAAA!”. So hatte für mich die ansonsten doch etwas deplatzierte Szene auch noch ihren Reiz für mich. Ansonsten waren die Sprüche im Film zwar nett, aber auch da hätte ein wenig mehr frecher Humor gut getan. Zudem kam mir die “Wilde 13” etwas zu kurz, in der Puppekiste wurde wenigstens die Entführung von Li Si noch als Rückblende gezeigt, hier bleibt die fiese Piratenkombo bis auf den Prolog in der Kombüse. Schade, ein kurzer Epilog, der gleichzeitig eine Brücke zu einer möglichen Fortsetzung schlägt, wäre in meinen Augen sogar noch ein runderes Ende gewesen. Zurück auf dem Piratenschiff fährt die Kamera auf das Körbchen, in dem die Piraten Jim Knopf damals fanden, ein kurzer Hinweis auf dessen Herkunft und Schnitt zum Abspann. Chance verpasst!

Insgesamt bin ich aber ganz klar nicht enttäuscht aus dem Kino gekommen, der Film hat mich über zwei Stunden toll unterhalten können und sehr schön in meinen Kindheit zurück versetzt. Meine Sichtweise auf “Jim Knopf” wurde um viele tolle Bilder bereichert und hat mir die Lieblingsgeschichte meiner Kindheit noch einmal auf eine schöne neue Weise erzählt. Ich freue mich sehr darauf, wenn meinen beiden kleinen Töchter soweit sind, dass wir den Film gemeinsam anschauen können. Und ich persönlich drücke beide Daumen, dass auch die Fortsetzung “Jim Knopf und die Wilde 13” noch eine Kinoversion bekommt.

Fazit

Fast 60 Jahre nach dem Erscheinen des Romans und über 40 Jahre nach der (Farb-)Version der Ausgburger Puppenkiste ist endlich der erste Kinofilm von “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” da, und der kann sich nicht zuletzt wegen beeindruckender Bilder und der perfekt besetzten Hauptdarsteller ins Herz spielen und so die kleinen inhaltlichen Schwächen und die mitunter etwas oberflächliche Orientierung an der Vorlage wieder ausbügeln.


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